Fluch und Segen der internen Zugverlegung an Fahrrädern

Ein Blick durch das obere Steuerkopflager nach unten. Foto: Christian Klippel

(KL)Immer mehr Fahrräder besitzen Zughüllen und Leitungen, die unsichtbar in Lenker, Vorbau und Steuersatz verlegt sind. Das sieht toll und sportlich aus. Soweit so gut. Das war es dann aber schon mit den Vorteilen. Natürlich spart man auch ein paar ganz wenige Watt oder gar nur Milliwatt, weil dem Fahrtwind etwas weniger Widerstand entgegengebracht wird.

Einmal alles zerlegen bitte

Aber wehe, nach dem Winter ist die Drehbewegung des Lenkers schwergängig. Regen, Sprühnebel und böse Geister haben dann Nässe in den Steuerkopf eingebracht und so hat man in den Lagern Korrosion. In den meisten Fällen konnte man bislang Vorbau und Gabel mit wenigen Handgriffen zerlegen und dann die Lagerschalen heraus nehmen. Lagerschalen sind gut geschützt. Die Lagerkäfige im Inneren werden durch Gummieinlagen nach außen abgedichtet. Fett bleibt drin, Wasser draußen. Manchmal aber nicht.
Dann laufen die Lager in einer Emulsion aus Fett und Wasser, korrodieren und fressen sich irgendwann. Bei Rädern mit interner Zugverlegung beginnt ab hier der große Spaß. Wer das noch toppen möchte besitzt vielleicht gar ein Rad mit Lenkanschlagbegrenzung. Dann sitzt auf der Gabel ein Ring und der läuft in einer Speziallagerschale (Block-Block). Die zu wechseln macht noch mehr „Freude“.
Was hier etwas zynisch beschrieben wird ist jedoch der Grund, warum manche Werkstatt diese Arbeiten außerhalb der Garantiezeiträume nicht mehr erledigen wollen. Die Gesamtkosten für den schockierten Radbesitzer können nämlich locker auf 300€ ansteigen. Und diesem die Rechnung zu erläutern…
Egal, wir hatten an unseren Canyon aber genau so einen doofen Fall. Und das nach einem Winter. Der obere Lagereinsatz war bereits heftig angerostet, läuft aber noch sauber. Ein Tausch würde bedeuten, dass man alle Leitungen am Lenker lösen müsste, um diese dann durch das Innere des Lagers hindurch zu frickeln: Bremsleitung für die Hinterradbremse an der Griffeinheit lösen. Bremsflüssigkeit ablassen, neuen Pin und neue Olive bestellen zum erneuten Abdichten. Zu für die Sattelstütze lösen. Könnte klappen. Zug für das Schaltwerk lösen. Hinten natürlich, dann rausziehen und Außenzug ebenso durch das Innere des Lagers ziehen.

Nur das Block-Block-Lager wechseln

Bei unserem Canyon war zum Glück nur das untere Lager defekt. Aber hier musste die vergossene Schale samt aller Bauteile aus dem Rahmen geklopft werden. Von oben natürlich…Das teure Neuteil hingegen muss man einpressen. Da war dann ein Selbstbau notwendig. Im Baumarkt fanden sich Gewindestange, Beilag-Scheiben in XL und anderes Zeug, um den Versuch zu wagen. Hat geklappt, ist also als Heimwerker möglich. Nun noch Radlagerfett oder Ähnliches zum Abhalten von Nässe rund um die Schale geschmiert und alles wieder zusammengeschraubt. Fertig. Auch mit den Nerven.

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