Aus Angst vor einem noch größer angelegten russischen Angriff auf die Ukraine fliehen viele Menschen aus der Hauptstadt Kiew.
Vor Bankautomaten bildeten sich lange Schlangen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Fotos zeigten zudem lange Autokolonnen. Andere versuchten, mit Zügen aus der Millionenmetropole zu flüchten. Viele Menschen deckten sich mit Lebensmitteln und Trinkwasser ein. Befürchtet wird offenbar, dass die Versorgung im schlimmsten Fall zusammenbrechen könnte.
Aus Sicht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die russische Militäraktion dramatische Folgen für die Bevölkerung vor Ort. «Es entsteht eine humanitäre Krise», sagte OSZE-Generalsekretärin Helga Schmidin Wien.
Ein Strom an Menschen werde fliehen, während es für die Verbleibenden keine funktionierende Grundversorgung geben werde, sagte die deutsche Diplomatin bei einer Sitzung von Parlamentariern aus den 57 OSZE-Staaten. Laut dem Innenministerium in Kiev seien schon jetzt Hunderte Tote und Verletzte zu beklagen. Zuvor hatte Schmid gemeinsam dem derzeitigen OSZE-Vorsitzenden, dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau, davor gewarnt, dass in der Ukraine Millionen Menschenleben in Gefahr seien.
Moskau: Luftabwehr der Ukraine unschädlich gemacht
Die russischen Streitkräfte haben bei der Invasion in die Ukraine nach eigenen Angaben die Luftabwehr des Landes komplett unschädlich gemacht.
Die Stützpunkte der ukrainischen Luftwaffe seien mit «präzisionsgelenkter Munition» außer Betrieb gesetzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die ukrainischen Soldaten hätten keinerlei Widerstand gegen das russische Militär geleistet, hieß es.
Zugleich wies das Ministerium ukrainische Berichte über einen Abschuss von russischen Flugzeugen zurück. Das entspreche nicht den Tatsachen, hieß es. Das Ministerium teilte auch mit, dass es keine Luftschläge gegen ukrainische Städte gebe. «Der Zivilbevölkerung droht nichts.»
Kreml : «Niemand spricht von Besetzung»
Der Kreml hat Vorwürfe zurückgewiesen, das Nachbarland besetzen zu wollen. «Niemand spricht über eine Besetzung. Und in diesem Fall ist dieses Wort hier nicht anwendbar», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Wie lange russische Soldaten im Donbass bleiben, werde Präsident Wladimir Putin entscheiden. Auf die Frage, wie weit russische Truppen in der Ukraine vorrücken wollten, sagte Peskow: «Ich kann Ihnen keine Information zu militärischen, technischen und anderen Komponenten dieser Operation geben.»
Ziel sei eine «Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine», so der Kremlsprecher. «Das bedeutet die Neutralisierung des Militärpotenzials, das in letzter Zeit auch dank der energischen Aktivität des Auslands erheblich gewachsen ist.»
Putin: «Habe beschlossen, Sonder-Militäroperation durchzuführen»
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am frühen Morgen in einer Fernsehansprache den Beginn der Militäroperation gegen die Ukraine bekanntgegeben. Er berief sich dabei auf die gespannte Lage in der ostukrainischen Region Donbass. Die dortigen Separatistengebiete Luhansk und Donezk hatte er zu unabhängigen Staaten erklärt.
«Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen», so Putin. «Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind.» Putin entsprach damit einer schriftlichen Bitte der Chefs der Volksrepubliken Luhansk und Donezk um Beistand, um Angriffe von der ukrainischen Armee abzuwehren. Putin hatte zuvor ein militärisches Eingreifen schriftlich in Aussicht gestellt, sollte er gefragt werden. Damit stehen sich bald erstmals russische und ukrainische Soldaten in dem seit acht Jahren dauernden Konflikt gegen.
Kuleba: «Das ist ein Angriffskrieg»
Ukrainischen Medienberichten zufolge sind unter anderem Munitionslager angegriffen worden. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb bei Twitter: «Putin hat gerade eine große Invasion der Ukraine gestartet. Friedliche ukrainische Städte werden attackiert. Das ist ein Angriffskrieg», teilte der Minister am Donnerstag bei Twitter mit.
Kiew/Moskau (dpa) –