Weidel und Musk-Ein seltsames Gespräch auf „X“

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD (Foto: Kay Nietfeld/dpa-POOL/dpa)

Deutschland-Ein Land voller ausweisloser Asylbetrüger, Bildungschaos an allen Schulen und Hitler als Kommunist? Bei uns gibt es Infos zu Gespräch am 9.1.2025 auf Elon Musks Plattform „X“.

Zwei Menschen führen quasi ein öffentliches Telefonat: Ein Online-Talk mit US-Milliardär Elon Musk verschafft der AfD-Chefin viel Aufmerksamkeit. Aber nicht nur positive, meint ein Experte.

Da waren sich zwei sehr einig – bei ihrem Online-Gespräch bestätigten sich AfD-Chefin Alice Weidel und der US-Milliardär Elon Musk immer wieder gegenseitig, wie ähnlich sie die Welt sehen. «Ja, absolut», sagte Weidel mehr als einmal zu ihrem unsichtbaren Gesprächspartner auf der Musk-eigenen Plattform X. Und Musk schwärmte wieder: «Nur die AfD kann Deutschland retten». Eine Einschätzung, die seit Wochen scharfe Kritik auslöst.In mehr als einer Stunde spannten Musk und Weidel einen gewaltigen Bogen: vom angeblichen Niedergang Deutschlands über die Forderung nach einer Renaissance der Atomkraft bis zur Erkundung des Mars und zur Frage nach Gott. Selbst als Weidel sagte, der nationalsozialistische Machthaber Adolf Hitler sei nicht rechts gewesen, sondern ein «Kommunist», kam weitgehende Zustimmung von Musk. Hunderttausende verfolgten dieses auf Englisch geführte Gespräch, das wie ein öffentliches Telefonat anmutete. Aber was wird es bewirken?

Was nützt das Gespräch der AfD?

Musks Unterstützung bringe der AfD Aufmerksamkeit, sagt Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin. Aber: «Wenige Deutsche werden für die AfD stimmen, nur weil ein US-Milliardär für sie wirbt.» Umgekehrt werde Empörung über Musks Hilfe AfD-Wählerinnen und Wähler auch nicht groß beeinflussen, erwartet Benner.

Der Dresdner Politologe Hans Vorländer meint, Weidels Auftritt könnte eher negativ wirken. «Frau Weidel hat ihre Chance nicht genutzt», sagt Vorländer. Sie habe unvorbereitet gewirkt und zu sehr versucht, Musk zu gefallen, vor allem mit einem libertären Staatsbild. «Für den internen Diskurs der AfD von nicht geringem Belang ist ihre Aussage, dass sie das deutsche Volk vom Staat befreien wolle», sagt der Politologe. Das bedeute völlig freie Marktwirtschaft. «Die Arbeiterschaft, die in den letzten Wahlen sehr stark AfD gewählt hat, hat da ganz andere Vorstellungen: Der Staat muss schützen, er muss Sicherheit geben.» Widerspruch erwartet Vorländer auch vom völkischen Flügel der AfD.

Warum kam Weidel auf Hitler zu sprechen?

Musk fragte Weidel, ob sie nicht mal erläutern könnte, warum «viele Medien» die AfD mit «Nazismus oder sowas» in Verbindung brächten. «Danke für die Frage», sagte Weidel und führte dann aus: «Nationalsozialisten, wie das Wort schon sagt, waren Sozialisten.» Und über Hitler: «Er war ein Kommunist und sah sich selbst als Sozialisten.» Hitler sei «genau das Gegenteil» von rechts gewesen. «Er war dieser kommunistische, sozialistische Typ. Punkt.» Die AfD sei wiederum davon «genau das Gegenteil».

Vorländer wertet das sehr kritisch. «Hitler als Kommunisten zu bezeichnen – dazu bedarf es schon sehr großer Geschichtsklitterung», sagte der Politologe. «Frau Weidel wollte darauf hinaus, dass die AfD etwas ganz anderes ist als rechtsextremistisch. Sie hat Hitler als Kommunisten und Sozialisten dargestellt, um sich selbst als wirklich konservativ und libertär zu identifizieren. Das ist der Versuch, die Geschichte umzudeuten, um sich vom Vorwurf des Rechtsextremismus zu befreien.»

Weidel verteidigte sich nach dem Musk-Talk mit dem Hinweis, der angesehene Historiker Sebastian Haffner habe Hitler auch eher links gesehen. Außen vor bleibt bei Weidels Argumentation, dass Nationalsozialisten Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten als Hauptgegner sahen und sie nach der Machtübernahme 1933 systematisch verfolgten, inhaftierten und ermordeten.

Wie nützt Musk das Mitmischen im deutschen Wahlkampf?

Musk sei «in erster Linie Unternehmer, der an maximalen Profiten interessiert ist», sagt der Potsdamer Soziologe Roland Verwiebe. «Es wird Musk strategisch darum gehen – so auch (Mark) Zuckerberg mit Meta -, dass weder in den USA, noch in Europa die Kräfte überhand gewinnen, die eine stärkere Einhegung der digitalen Plattformen erreichen wollen.» Dieses Ziel verfolgt die Europäische Union mit dem Digital Services Act, der das Geschäft der Plattformen regulieren und illegale Inhalte, Waren und Dienstleistungen eindämmen soll. Die AfD will den DSA mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit abschaffen.

Vorländer formuliert es so: «Musk hat globale wirtschaftliche Interessen. Staatliche Regulierung steht ihm da im Wege. Er nutzt rechtspopulistische und rechtsextreme politische Kräfte, um Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Und mit seinem globalen Plattformkapitalismus gewinnt er zugleich politisch-kommunikative Macht, die sich autokratisch nutzen lässt.»

Warum prüft der Bundestag diesen Talk?

Die Organisation Lobbycontrol mutmaßt, dass es sich bei dem Gespräch um eine illegale Parteispende handeln könnte. Musk stelle auf seiner Plattform X Reichweite zur Verfügung, die das Unternehmen sonst für «sehr viel Geld» verkaufe. Der Bundestag schaut sich das an, wie ein Sprecher mitteilte: «Die Bundestagsverwaltung führt im vorliegenden Fall derzeit eine Sachverhaltsklärung durch.»

Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck warf die Frage der Chancengleichheit im Wahlkampf auf. «Sind die Algorithmen, die die Plattform X benutzt, so ausgerichtet, dass es einen einseitigen Vorteil für bestimmte Inhalte gibt – in diesem Fall die der AfD oder die von Elon Musk und der AfD?», fragte Habeck auf Fragen von RTL/ntv und «Welt».

AfD-Chefin Weidel wehrte sich später ebenfalls bei RTL/ntv gegen den Verdacht, der Talk mit Musk könnte ein geldwerter Vorteil für ihre Partei gewesen sein. Es habe sich um einen Dialog auf einer Plattform gehandelt, es sei nicht zu beanstanden, wenn sich zwei Leute unterhalten.

Merz: Übergriffig und anmaßend

Der Beitrag, über den sogar gemutmaßt wurde, dass Musk ihn von einer KI habe schreiben lassen, feuerte die Debatte noch weiter an. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) nannte Musks Wahlaufruf für die AfD «übergriffig und anmaßend.» Kanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte, dass sich der Unternehmer – immerhin Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump – «für eine in Teilen rechtsextreme Partei» einsetze, «die die Annäherung an Putins Russland predigt und die transatlantischen Beziehungen schwächen will».

Ansporn für den Tesla-Chef

Die Debatte spornte den Tesla-Chef nur noch weiter an. Als ein X-Nutzer vorschlug, er solle doch mit Weidel einen Live-Talk bei X machen, reagierte der Milliardär mit «ok» und schrieb später einer AfD-nahen Influencerin, die sich ebenfalls zu der Debatte geäußert hatte: «Warte bis Alice und ich ein X-Spaces-Gespräch führen. Dann verlieren sie ihren Verstand» – versehen mit zwei Lachsmileys mit Tränen. Schon bald darauf berichtete Weidels Sprecher von einem Austausch über ein Live-Gespräch mit Musks Team. Dieser habe sich bereits vor einigen Monaten für das AfD-Programm interessiert.

EU verfolgt Musks Aktivitäten aufmerksam

Die EU beobachtet Musks Aktivitäten schon länger. Seit gut einem Jahr läuft ein Verfahren gegen seine Plattform X. Geprüft wird, ob diese gegen das EU-Digitalgesetz (DSA) verstößt. Große Plattformen wie X, Tiktok oder Google müssen sich an bestimmte Regeln halten, sonst drohen ihnen hohe Strafen. Die EU-Kommission betont zwar, Meinungsfreiheit sei auch für Plattformbesitzer wie Musk geschützt, Plattformen müssten aber sicherstellen, dass sie nicht für die Manipulation von Wahlen oder die Untergrabung des zivilen Diskurses genutzt würden.

«Politico» hatte vorab berichtet, ein Team von bis zu 150 Beamten der Kommission werde den Musk-Weidel-Talk verfolgen. Dabei solle es aber weniger um die Inhalte des Gesprächs gehen, als darum, ob der Algorithmus von X den Livestream so prominent bei den X-Nutzern in Europa verbreitet, dass der AfD damit ein Wahlkampfvorteil verschafft wird.

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