Schweinfurt (el). Mehr öffentliche Verkehrsmittel und weniger Individualverkehr sind ein Gebot der Stunde und die Angebote für eine Verkehrswende sind inzwischen vielfältig. Mit dem Deutschlandticket lässt es sich für 49 Euro einen Monat lang mit der Bahn quer durch Deutschland fahren, viele Nahverkehrsangebote, Stadtbusse, U-Bahnen usw. inklusive. Auch das Bayernticket ist attraktiv für den sporadischen Nutzer, der an einem Tag quer durch Bayern fahren möchte. Es gilt zwar nur von 9 bis 3 Uhr des nächsten Tages, kann aber um vier weitere Mitfahrende erweitert werden. Und beide Angebote schließen auch das lokale Mitfahrangebot Callheinz ein. Doch kann man wirklich abseits von Städten, so „mitten in der Prärie“ mit diesen Angeboten unterwegs sein?
Ein Praxistest für einen Verwandtschaftsbesuch im oberbayerischen Huglfing hat gezeigt: Es funktioniert! Für die etwa 380 km lange Strecke benötigt man im Auto ab Stadtlauringen etwa vier Stunden und mit einem Diesel hin und zurück Sprit für etwa 75 Euro, Reifenabrieb, Abnutzung, Öl usw. nicht mit eingerechnet. Da kommt man als Alleinfahrer mit Deutschlandticket oder auch als Einzelfahrer und noch mehr als Gruppe mit Bayernticket schon mal günstiger weg.
Doch wie sieht es mit dem Komfort aus? Das oberbayerische Huglfing liegt zwar wie Stadtlauringen „abseits vom Schuss“, hat schon mal den Vorteil, dass es an der Bahnstrecke Garmisch-Partenkirchen nach München liegt. Zum Test wurde ein Bayernticket gekauft. Bis nach München dauert es 48 Minuten mit drei Haltestellen. In München am Hauptbahnhof wird derzeit gebaut. Aktuell ist quasi das gesamte große Eingangsgebäude abgerissen. Entsprechend groß ist das Gewusel an den Gleisen. Die Weiterfahrt nach Nürnberg ist jedoch leicht zu finden und der Aufenthalt von 33 Minuten vergeht in diesem Treiben und bei einem kleinen Snack wie im Flug. An den parallel zur Autobahn verlaufenden Stellen kann man sehen, dass der Zug viel schneller als selbst die überholenden Autos unterwegs ist. Schätzungsweise erreicht er also mindestens 200 km/h. Sieben Haltestellen sorgen dennoch dafür, dass die Reise knapp zwei Stunden dauert. Gemächlicher wird es nach 15-minütiger Wartezeit dann von Nürnberg nach Rottendorf zum nächsten Umstieg. Hier sorgen neun Haltestellen für eine über einstündige Weiterreise. Wegen eines Brandes verzögert sich die Weiterfahrt um 10 Minuten, informierte die Infotafel, die dadurch entstehende 15-minütige Wartezeit ist jedoch verschmerzbar und nach weiteren 23 Minuten kommt man in Schweinfurt am Hauptbahnhof an.
Alles in allem hat es gut geklappt an diesem Sonntag und von den der Bahn häufig unterstellten großformatigen Verspätungen war an diesem Tag jedenfalls nichts zu spüren. Da die Auslastung auf den Fernverkehrsstrecken groß war, mussten die Fahrgäste eng zusammen rücken. Und das mitten in der Erkältungswelle, wo ständig irgendwo gehüstelt oder die Nase geputzt wurde. Dass immer wieder Telefongespräche in irgendwelchen Sprachen geführt wurden störte zumindest dahin gehend nicht, weil man sie nicht verstand. Immerhin führt die Bahn in ihrer Bezeichnung noch das Wort „Deutsche“ vorneweg. Und es wurde auf dem Weg von München nach Nürnberg auch gebettelt – in einwandfreiem deutsch mit irgendeiner Story warum und wieso. Eine resolute Schaffnerin unterband jedoch dieses Treiben. Weil auch kleine Kinder von da nach dort mit müssen, werden diese zur Einhegung ihres Bewegungsdrangs in ihren Kinderwägen festgezurrt, was nicht selten lautstarken Unmut erzeugte. Ein anderes Problem hatte ein Mountain-Bike-Mitfahrer, der sein Gefährt irgendwie nirgendwo richtig abstellen konnte. Er monierte beim Schaffner, damit aus dem ICE rausgeflogen zu sein.
Interessant wurde es dann ab Schweinfurt Hauptbahnhof nun wieder hinaus aufs Land nach Stadtlauringen. Auch im Stadtbus zum Rossmarkt meinte ein Herr mit grauem Rauschebart (es war nicht der Nikolaus) seinen Unmut über die aktuelle Politik und diverse Randgruppen lautstark hinausposaunen zu müssen. Nach einer eindringlichen Ermahnung durch den Busfahrer gab er jedoch Ruhe. Vom Rossmarkt muss man dann den Bus zum Hochfeld, bzw. Deutschhof erwischen, um zur Callheinz-Haltestelle am Deutschfeld-Friedhof (Nähe Wildpark) zu gelangen.
Das Callheinz-Ticket wurde schon auf der Zugfahrt von Rottendorf nach Schweinfurt per App gebucht und umgehend bestätigt. Um 17.33 Uhr kam das Rufbus-Taxi pünktlich und nach Check des Bayerntickets – es war übrigens das einzige Mal, dass der QR-Code vorgezeigt werden musste – ging es hinaus in den Norden des Landkreises. Weil auch noch eine Frau mit Kind zu dieser Zeit gebucht hatte gab es noch einen kleinen Abstecher über Hesselbach. Der moderne Callheinz-Bus mit Ledersitzen ist komfortabel und der Fahrer zuvorkommend. Gegenüber einem Taxi, das etwa zehnmal so teuer ist, gibt es keine Einschränkungen.
Alles in allem ist die moderne Mobilität somit auch vom Lande aus zu vernünftigen Preisen durchführbar. Insgesamt kommt man für eine weitere Fahrt in Bayern aber auf insgesamt sechs Umstiege mit den damit einhergehenden Wartezeiten. Das erfordert erhöhte Aufmerksamkeit, da im allgemeinen noch mehr oder weniger großes Gepäck hinzu kommt, das ebenfalls beaufsichtigt werden will. Sechseinhalb Stunden unterwegs zu sein bedeutet aber auch Toilettengänge auf unbekanntem Terrain und Essen und Trinken sollte man auch etwas in dieser Zeit. Gesund und fit sollte man also schon sein, wenn man sich auf eine Reise mit vielen nicht vorhersehbaren Erlebnissen begibt.