Wer mit offenen Augen durch unsere Dörfer geht, sieht neben schönen Häusern auch Problemfälle:
leer stehende Gebäude, verfallende Scheunen, aber auch deplazierte und unpassende Neu- oder Umbauten. Mit dem bayernweit einzigartigen Modellprojekt „Werntal Dorf“ will die Allianz Oberes Werntal, die sogenannte ILE (Integrierte Ländliche Entwicklung), die Besitzer regionaltypischer und ortsbildprägender Gebäude unterstützen und fördern. Damit jedes Dorf in seiner Eigenheit erhalten bleibt.
Was ist das Projekt „Werntal Dorf?“
Bei dem neuen Vorhaben, das sich auch als „Interkommunales Denkmalkonzept“ (IKDK) versteht, wird erstmals für eine ganze Region, für alle 46 Dörfer der zehn Gemeinden des Oberen Werntals, die erhaltenswerte, prägende Bausubstanz von privaten Gebäuden erfasst. Denkmalgeschützte Bauten sind bereits bekannt. Das Typische wird herausgearbeitet und beschrieben. Bei diesem Projekt agieren das Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken (ALE) und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gemeinsam mit den Kommunen. Dabei wird ausgelotet, welche Förderung für den Privatbesitzer über eine einfache Dorferneuerung und über das Denkmalamt möglich ist.
Welches Ziel hat das Modellprojekt?
Auf der Grundlage der erfassten Bausubstanz wird den Eigentümern der regionaltypischen Häuser, Nebengebäude, Scheunen, Toranlagen oder Mauern die Chance eröffnet, bei einer Sanierung Hilfe zu erhalten: durch fachliche Beratung und durch finanzielle Förderung. Das Projekt stärkt das Bewusstsein für die regionaltypische Bausubstanz und deren Besonderheiten. Die Vielfalt an charakteristischen Gebäuden oder Gebäudeteilen zu erhalten, ist das Anliegen. Denn sie sorgen in ihrer Summe für ein Gefühl von Heimat und haben für Einheimische wie für Ortsfremde einen Wiedererkennungswert.
Wie werden die Gebäude erfasst?
Vor Ort sind in den Dörfern zwei Fachteams unterwegs. In den Gemeinden Bergrheinfeld, Waigolshausen, Wasserlosen und Werneck sind es Christiane Reichert und Ralf Jost vom Büro Reichert für Stadt- und Denkmalpflege (Bamberg). In Dittelbrunn, Euerbach, Geldersheim, Niederwerrn, Oerlenbach und Poppenhausen ist Dr. Sabine Fechter, Büro für Kultur in Dorf und Flur (Fladungen), mit der Erfassung beauftragt.
Solche prägenden Häuser für das Ortsbild werden erfasst.
Die Fachleute orientieren sich an amtlichen Ortsplänen, die bereits die denkmalgeschützten Gebäude enthalten. Sie fotografieren und beschreiben die Häuser mit Nebengebäuden oder sonstige Elemente, die Teil des historischen Ortsbildes sind. Bis Ende April sind diese Kartierungen beendet.
Welche Bauten werden erfasst?
Nur private Gebäude werden erfasst, deren Besitzer sollen stärker unterstützt werden. Dokumentiert werden Bauten mit historischer Substanz, die keine Denkmalqualität erreichen, aber dennoch die Geschichte widerspiegeln. Typische Bauweisen und Baumaterialien wie Fachwerk, Sandsteingebäude oder -toranlagen sowie Dachformen sind Kriterien für eine Erfassung. Auch der Zustand des Hauses wird bewertet oder ob ein Leerstand eingetreten ist. Betrachtet werden Bauten bis zum Baujahr circa 1950 mit einem historischen Aussagewert. Je jünger das Gebäude, desto strenger ist der angelegte Erfassungsmaßstab. Aufgenommen werden diejenigen Gebäude, die nicht zu sehr überformt oder umgebaut sind.
Können Gebäude auch neu unter Denkmalschutz gestellt werden?
Bei der Erfassung wird schon aus Zeit- und Kostengründen kein denkmalpflegerischer Erhebungsbogen erstellt, sondern lediglich eine Häuserinventarisierung. Bei der bisherigen Kartierung gab es von Seiten der erfassenden Fachleute einige wenige Fälle, in denen eine Empfehlung an die Denkmalschutzbehörde ausgesprochen wurde. Damit können die Eigentümer auch von den Förderungen des Denkmalschutzes profitieren. Als typisch für die Region und als erhaltenswert ist beispielsweise diese Scheune eingestuft. Für ihre Sanierung kann der Eigentümer mithilfe des Projekts „Werntal Dorf“ Förderung erhalten.
Als typisch für die Region und als erhaltenswert ist beispielsweise diese Scheune eingestuft. Für ihre Sanierung kann der Eigentümer mithilfe des Projekts „Werntal Dorf“ Förderung erhalten.
Was geschieht mit den gesammelten Informationen?
Die Beschreibungen und Fotografien werden im beauftragten Architekturbüro Perleth (Schweinfurt) in eine Datenbank eingetragen und mit einem digitalen Geoinformationssystem verknüpft. Daraus entstehen für jeden Ort eine Ergebniskarte sowie bis zum Sommer ein bebilderter Katalog mit den erhaltenswerten Gebäuden. Ausschließlich für diese Zwecke werden die Daten verwendet. Es werden keine sensiblen Daten veröffentlicht. Anhand der später online veröffentlichten Karten kann ein Eigentümer selbst prüfen, ob sein Anwesen als ortstypisch erfasst ist und Förderung erhalten kann.
Hoftore wie dieses spiegeln die Geschichte der Landwirtschaft im Werntal wider.
Welche Schlüsse werden aus den Ergebnissen gezogen?
Das Architekturbüro Perleth analysiert die Schwächen jedes Dorfes und sieht, wo ein besonderer Handlungsbedarf ist, sprich: welche Gebäude sanierungswürdig sind. Für diese Gebäude wird eine Handlungsempfehlung zur Sanierung und Revitalisierung gegeben. Allerdings sind das keine formellen Planungen, sie sind ohne Rechtswirksamkeit oder Verpflichtung. Es sind freiwillige Angebote für die Eigentümer. Diese Empfehlungen sind aber die Grundlage für eine Förderung.
Wie erfolgt eine mögliche Unterstützung und Förderung für die Eigentümer?
Es gibt zwei Wege für eine Förderung, je nach Objekt: Zum einen bietet das Landesamt für Denkmalpflege Beratung und finanzielle Hilfe für die besonderen, geschützten Objekte an, etwa Voruntersuchungen wie Bauforschung oder Bauaufmaß. Bei konkreten Sanierungen wird der Mehraufwand hoch gefördert. Zum anderen können die Gemeinden beim Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken ohne großen bürokratischen Aufwand eine einfache Dorferneuerung, das „Werntal Dorf“, für den jeweiligen Ort beantragen. Damit verschaffen sie den betroffenen Hausbesitzern eine kostenlose Erstberatung durch einen Architekten sowie eine Förderung aus dem Bayerischen Dorfentwicklungsprogramm. Im Idealfall greift das „Werntal Dorf“ dort, wo es noch keine laufende Dorferneuerung oder Städtebauförderung gibt – und das ist in der Mehrzahl der Dörfer der Fall.
Wie geht es nach der Erhebung weiter?
Es wird drei Veranstaltungen mit Bürgerbeteiligung geben: in Nord, Mitte und Süd der ILE-Region Oberes Werntal. Die Eigentümer der betroffenen Anwesen erhalten dort alle nötigen Informationen, die ihnen die Sanierung und Erhaltung ihrer Gebäude erleichtern. Weitere Infos: 09726 / 91 55 27 oder info@oberes-werntal.de